Konsumierst du noch oder lebst du schon?
Und nein, damit meine ich nicht komplette Enthaltsamkeit vom Konsum. Eigentlich wollte ich dir mit diesem Beitrag eine Buchempfehlung für lange Herbst- und Winterabende geben. Doch dabei ist es dann nicht geblieben, da ein romantisches Buch lesen, von dem frau sich nicht mehr losreißen kann, etwas mit uns macht, das nicht unbedingt ideal für die persönliche Entwicklung ist – aber manchmal braucht es doch eine Romantic Escape aus dem Alltag. 😊
Ich muss gestehen, dass ich dieses Jahr die Winterzeit richtig genieße. Am Abend wird es früher dunkel, die Kinder sind gegen 20 Uhr im Bett und ich habe Zeit für mich. Da lese ich 30 min anspruchsvolle Lektüre – nachdem ich die Küche einigermaßen aufgeräumt habe und die Wäsche seinen Platz hat – und dann bin ich in in den letzten Tagen in die Romantik der Liebe entflohen – Julie Caplin bezeichnet ihre Bücher als „Romantic Escape“, was nicht treffender sein könnte.
Was soviel bedeutet wie: ich auf dem Sofa mit meiner Lieblingskuscheldecke, einem Tee und einem Roman – letztens „Ein Café in Kopenhagen“ und „Die kleine Bäckerei in Brooklyn“ von Julie Caplin. Viel Romantik, wenig Drama. 😉 Ich liebe Ben. Und Todd. 😉
Ich verbiete mir selbst diese Flucht, wenn ich mir nicht vorher Zeit für eine anspruchsvollen Lektüre genommen habe. Zur Zeit „Kosmos und Mensch“ von Heinz Grill und „Faust“ von Goethe. Also nein, ich konsumiere nicht nur Romane und es ist auch nicht jeden Tag. Denn Romane sind so etwas wie Zucker in der Ernährung. Am liebsten würde man sie immer lesen. Aber es ist besser, wenn sie eine Ausnahme bleiben.
Was ist denn nun an einem Roman verkehrt, bitteschön?
Vor meiner Yogaausbildung wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ein Roman lesen eine konsumorientierte Handlung ist. Eine emotional übersäte Herzenswelt. Es mag vielleicht eine Art Genugtuung bringen, doch es bringt uns in unserer Entwicklung nicht weiter.
Konsum führt uns nicht ein Stück weiter zu uns selbst.
Er ist wie eine Täuschung für unser Wohlbefinden. Etwas zu konsumieren, egal ob es ein Roman ist, ein Film, Shopping bringt uns für einen kurzen Moment Glücksgefühle. Einen kleinen Rausch – oder warst du noch nie in diesem Shoppingfieber? Dazu finde ich, hat der britische Street-Art Künstler Banksy dieses sehr passende Bild kreiert.
Der gepriesene Gott des Konsums, Retter aus aller Not.
Klar müssen wir etwas konsumieren und nicht nur von Luft und Liebe leben. Aber:
Wo liegt die Grenze zwischen einem lebensnotwendigen Konsum und einem lebensvernichtenden Konsum?
Lebensnotwendig, um wertvolle, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu kaufen, die Kleider, die Frau braucht (…), schöne Dinge, mit denen wir uns gerne umgeben, noch die eine besondere Tasse, das eine besondere Jäckchen, das bestimmte Shampoo oder Creme, die Schokolade, der Roman, der Film, die Serie, der Ausflug am Wochenende, das Essen im Restaurant… wann aber wird Konsum zu viel und belastend? Wann grenzt er an dieses überspitzt gesagte „lebensvernichtende“?
Ich gebe zu, der Begriff „lebensvernichtend“ enthält eine Spur Zynismus. Dieser Zynismus kann nicht verstanden werden, wenn wir hier nicht die Frage einbringen:
„Was ist der Sinn des Lebens?“
Ich habe die Frage für mich so beantwortet, dass es darum geht, sich selbst zu entwickeln, sein Potential, seine Fähigkeiten und Talente in der Welt zum Ausdruck zu bringen, sodass ich zu einer positive Entwicklung der Welt beitragen kann.
Tut das der Konsum? Gibt er uns Kraft, dem Leben und seinen Anforderungen entgegenzutreten? Befreit er uns von der psychischen und physischen Erschöpfung? Man könnte meinen, dass er es doch tut. Auf dem Sofa liegen und Romane lesen oder sich die Zeit vor dem Fernsehen vertreiben oder E-Shopping zu betreiben mag entspannend scheinen. Wie lang dauert es aber an? Oder anders gefragt:
Gibt Konsum unserem Leben Sinn?
Ist er das, auf das wir in zehn oder 20 Jahren zurückblicken? „Oh wow, damals, als ich mir diese blaue Jacke gekauft habe, das war wirklich ein super Tag. Daran möchte ich mich für ewig erinnern und ich werde meinen Enkeln später davon erzählen.“ 😉
Was Konsum sicherlich ist, er ist bequem. Er stellt nicht wirklich hohe Anforderungen an unser Denken oder unseren Willen. Er trägt nicht dazu bei, dass wir unser Potential entfalten. Und das wäre doch der Sinn, oder?
Wie leben wir aber unser Potential?
Was bringt uns wirklich ein Stück näher zu uns selbst und gleichzeitig in die Welt hinaus? Das ist nicht ganz so einfach zu beschreiben, wie den Konsum. Es ist etwas, das flüchtiger ist, schwieriger zu erreichen, nicht so leicht anzufassen. Es steht allerdings fest, dass wir aus dem Konsummodus herauskommen, wenn wir KREIEREN. Wenn wir gestalterisch tätig sind, wenn wir der Freude wegen etwas tun und nicht nur den Nutzen sehen. Wenn wir ein Stück von uns hergeben und uns anstrengen müssen. Wenn wir nach Erkenntnissen ringen und eine Wahrheit erahnen. Wenn wir unsere Komfortzone verlassen und uns trauen mit unseren Idealen in die Welt hinauszugehen.
Sobald wir es tun, werden wir merken, wie uns eine Freude, eine Lebenskraft, zuströmt. Und wenn wir diese einmal empfunden haben, dann wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Doch im Unterschied zum Konsum ist sie subtil empfindsam. Dafür hält sie länger an. Und bringt wahre Freude, wahres in sich Ruhen, wahre Kraft und Stärke, wahre Gelassenheit, wahre Lebenskraft.
Auch Yoga kann konsumiert werden. Wenn wir zur Stunde gehen und entspannen wollen statt uns zu fragen, was wir von uns hergeben.
Heinz Grill hat es folgendermaßen formuliert: „Du bist nicht derjenige, der Du durch Askese oder Übung bei dir selbst werden kannst, sondern Du bist so, wie Du auf die Mitmenschen wirkst, welche moralischen und edlen Beziehungen du aufbaust, welche Formen der Schönheit und Ästhetik Du gestaltest und wie du diese schließlich in das nächtliche Meer der Sterne hineinträgst.“ (Aus „Die Seelendimension des Yoga“, S. 21)
Sind wir bereit, uns auf die Gedanken der Yogastunde einzulassen? Sind wir bereit uns auch mal wirklich anzustrengen? Sind wir bereit, Neues zu wagen?
Wie finden wir diesen NICHT-KONSUM?
Einen qualitativ hochwertigen, sprich einen nicht konsumorientierten Yoga, erkennt man daran, dass er frei von persönlichen Ansichten, Schwärmereien, Emotionen, vorschnellen Bewertungen und selbstentworfenen Glaubensbegriffen ist. Er ist eine Annäherung an eine immerwährende Wahrheitsliebe. Er beginnt mit einer bewussten Aufmerksamkeit. Er geht weiter mit einer Hinwendung an spirituelle Inhalte und mit einem Studieren dieser Inhalte.
Doch wie überall braucht es einen Anfang. Auch ich bin zu meinen Yogastunden konsumorientiert hingegangen. Bis sich mir mit der Zeit neue Möglichkeiten eröffnet haben. Es ist eine immerwährende Suche nach dem richtigen Gleichgewicht, ohne ein Ende. Mit der Zeit allerdings ist es einem möglich gewisse Situationen, in die man sich begibt, bewusst zu beobachten, zu bewerten und hat die Chance es beim nächsten Mal besser zu machen.
Auch ich konsumiere in meinen Leben immer noch, manchmal lebensvernichtend, manchmal lebensbejahend.
Dazu ein Beispiel:
Erkennst du den Unterschied?
An unserem Hochzeitstag heuer im Sommer sind wir dieses Jahr in die Berge, genauer gesagt in die Dolomiten. Wir haben Abgeschiedenheit, die Natur und Ruhe gesucht. Von der Zanser Alm in Villnöss (Südtirol) sind wir mit unseren drei Kindern – die 8, 7 und 5 Jahre alt sind – zwei Stunden und 620 Höhenmeter zur Medalges Alm gewandert. Haben die Mühe auf uns genommen, den Berg zu erklimmen. Das Fragen der Kinder „Wann sind wir da?“ haben wir mit einem Kuchen verglichen: metaphorisch gesprochen, wenn wir den ganzen Kuchen beisammen haben, dann sind wir da. Sie konnten sich so die Entfernung gut vorstellen. Wir haben z.B. gesagt, „wir haben schon die Hälfte des Kuchens gegessen“ oder „Es fehlt noch ein Viertel. Drei Teile haben wir gegessen, eines fehlt noch“.
Wir haben geschwitzt und schwere Rucksäcke getragen. Gleichzeitig haben wir wunderbare Aussichten erfahren, Murmeltiere gesehen, die Abendstimmung in den Dolomiten in völliger Einsamkeit erlebt und Glücksgefühle haben sich in uns breitgemacht. Wir haben uns auf der Alm ein Abendessen gegönnt – das besser geschmeckt hat als in vielen schicken Restaurants – und sind zufrieden mit uns und der Welt auf einer Matratze am Boden in einer Hütte bei offener Tür, in einem kuscheligen Schlafsack eingeschlafen. Wir waren trotz Anstrengung angenehm aufgebaut. Dieses Gefühl hat Tage angedauert und ich blicke auch jetzt nach Monaten noch sehnsüchtig auf diese Tage zurück. Sie haben mir Kraft gegeben.
Am Geburtstag von meinem Mann haben wir hingegen eine andere Erfahrung gemacht. Wir waren am Vormittag mit den Kindern bei den Omas, sie haben ihn mit Geschenken überhäuft. Mittags waren wir japanisch/thailändisch essen, am Nachmittag in der Therme Meran und abends mit Verwandten Pizza essen.
Eigentlich wollten wir mit den Kindern ins Erlebnisbad Naturns, aber als wir beim Handy die Verfügbarkeit geprüft hatten, war alles voll. Also wollten wir nach Latsch, dort waren nur mehr 10 Plätze frei und diese konnten für uns nicht freigehalten werden.
Auch in der Therme Meran war auf der Website alles ausgebucht. Da wir aber vor Ort waren und die Kinder sich gefreut hatten, sind wir trotzdem hin und sie haben uns hineingelassen. Wir hatten für sage und schreibe 80€ ein Dreistunden-Ticket für die ganze Familie ergattert. Drei Stunden entspannen.
Natürlich ist es wunderschön sich im warmen Wasser treiben zu lassen, der Unterwassermusik zu lauschen, zum Himmel zu schauen, der sich orange-rot verfärbt und ein Schwarm Vögel gerade darüber fliegt. Es hat aber mit Stress begonnen „hoffentlich kommen wir rein“ und mit Stress aufgehört „bis zum letzten Moment im Wasser bleiben und trotzdem nach genau drei Stunden fertig angezogen und geföhnt wieder draußen zu sein, um einen Aufpreis zu vermeiden“.
Zurück zum Parkplatz, rein ins Auto, hin zur Pizzeria. Die Kinder haben sich nach dem Essen mit Videospielen (im Spielraum) beschäftigt und wir Erwachsene haben geredet. Es war ein voller Tag und wir waren pappsatt.
Am selben Abend habe ich mit meinem Mann beschlossen, dass wir so einen Tag nicht nochmals wollen. „Wie undankbar“, könnte jemand an dieser Stelle einwenden. Doch das ist es nicht. Wir waren beide dankbar, dass wir uns so einen Tag leisten KÖNNEN. Aber wir haben bemerkt, dass wir so einen Tag nicht WOLLEN. Wir wollen nicht diesen Trubel um uns. Wir wollen nicht den Kindern so ein Beispiel des Konsums vorleben.
Wir haben gespürt, dass so ein Tag zwar schön war, aber nicht befriedigend.
Er hat nicht dazu beigetragen, dass wir uns weiterentwickeln oder zur Weiterentwicklung der Welt beitragen. Es wäre nicht ein typisches Erlebnis, das wir später unsere Enkeln erzählen würden. Er hat unsere Sehnsucht nicht gestillt.
Mein Konsum für die Zukunft
Natürlich werde ich in Zukunft noch in die Therme gehen oder ins Restaurant. Doch ich werde auch sinnvolle Anforderungen suchen. Ich lebe in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts in Europa und nicht in einem Ashram in Indien. Meine Aufgabe ist es nicht, mich zurückzuziehen und abgeschieden von allem meine Erleuchtung zu suchen, sondern mitten in dieser Gesellschaft mit meinem Handeln Verantwortung zu übernehmen und dieses immer wieder kritisch zu beurteilen, rückzublicken und mir die Frage zu stellen, was ich in Zukunft besser machen kann.
Soll ich also Julie Caplin von meiner Couch verbannen? Das mache ich nicht. Aber ich mache nicht NUR das. Und ich mache es nicht jeden Tag. Ich gebe mich bewusst diesem Konsum einer Romantic Escape hin, lache und liebe mit den Hauptdarstellern, suche aber gleichzeitig Möglichkeiten mich weiterzuentwickeln, um freier und freudvoller in dieser Welt wirken zu können.
Wie sieht es bei dir aus? Lebst du dein Potential? Hast du Lust auf eine Auszeit für eine Reise zu dir selbst? Eine Mischung aus Konsum und Nicht-Konsum? Dann schau dir dieses Yoga Retreat mit mir vom 17.-20. November im Theinersgarten an oder schnuppere an der Spirituellen Hochschule in Naone vorbei.
Yoga Retreat „Lebe dein Potential“ im Biorefugium ****S Theiner’s Garten in Südtirol
Spirituelle Hochschule in Naone (Trentino)